Corinna Pommerening ist Bankbetriebswirtin und als selbständige Beraterin für die digitale Transformation im Finanzsektor tätig. Ihre Expertise baute sie als Führungskraft in einer Primärbank und als Senior Consultant im Bereich Financial Services auf. Als zertifizierte Employer Brand-Managerin unterstützt Corinna Pommerening bei der Arbeitgeberpositionierung und bei der kulturellen Transformation, um die Digitalität und Agilität in Unternehmen zu stärken. Als Speakerin überzeugt Sie mit charismatischen Vorträgen und gibt inspierende neue Denkanstöße.
Im Rahmen der Veröffentlichung ihres neuen Buches „New Leadership im Finanzsektor“ und ihrem neuen Vortrag „New Leadership: Wie Führungskräfte und Mitarbeiter den Wandel gemeinsam gestalten“, sprachen wir mit Corinna Pommerening über den Wandel im Finanzsektor und über New Leadership.
Was sind die wichtigsten Säulen des New Leadership im Finanzsektor?
Corinna Pommerening: Es sind vor allem vier zentrale Säulen, die New Leadership ausmachen:
1. Verantwortung auf allen Ebenen übernehmen: Jede Führungskraft und jeder Mitarbeiter muss Verantwortung für die Zukunft des Unternehmens übernehmen. Mitdenken, Mitgestalten und Mitverändern sind die neuen Mindeststandards von jedem Anforderungsprofil.
2. Vom Silodenken zum vernetzten Arbeiten: Silos müssen identifiziert und konsequent aufgebrochen werden. Und hierbei ist jeder Unternehmensbeteiligter gefordert, Hemmnisse des Wandels bei sich selber, im Team oder in der Organisation zu erkennen und entsprechend gegenzusteuern.
3. Team-Empowerment: Status, Macht und Hierarchiedenken sind Relikte der Vergangenheit! Führungskräfte sind heute gefordert, das Team und ihre Mitarbeiter bestmöglich und auf Augenhöhe zu befähigen.
4. Open-Banking beginnt bei jedem Einzelnen: Nur offene und vernetzte Unternehmen werden von einem digitalen Ökosystem profitieren. Das wiederum erfordert nicht nur zukunftsfähige Open-Banking-Wertschöpfungsstrategien, sondern auch ein „Open Mind" bei allen Mitarbeitern. Sich vernetzen, Wissen und Ideen kollaborativ zu teilen - über Abteilungs- und Organisationsgrenzen hinaus - sind ein bedeutender Bestandteil des Skillsets.
Inwieweit trägt die COVID19-Pandemie zu Beschleunigung von New Leadership Einflüssen bei?
Corinna Pommerening: „Der Transformationsdruck ist exponentiell gestiegen: Analoge Geschäftsmodelle und Prozesse waren in der Zeit des Lockdowns direkt betroffen: Persönliche Beratung vor Ort in der Filiale war nicht oder nur eingeschränkt möglich und digitale Vertriebs- und Kommunikationskanäle haben quasi "über Nacht“ massiv an Bedeutung gewonnen. Große Konzerne übernehmen derzeit auch hier eine Vorbildfunktion: Siemens befreit einen Großteil der Belegschaft von der Präsenzpflicht und ermöglicht eine Dezentralisierung von 140.000 Jobs. Aber Teams und Mitarbeiter remote zu führen, erfordert viel mehr als nur Videokonferenzen bedienen zu können. Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter bestmöglich bei diesen neuen Arbeitsroutinen unterstützen bzw. befähigen. Selbstorganisation und Selbstverantwortung werden zu essenziellen Schlüsselkompetenzen, denn Mitarbeiter sind jetzt gefordert, sich selbst zu führen.“
Wo sehen Sie im Finanzsektor die besonderen Herausforderungen bei der Gestaltung des Wandels?
Corinna Pommerening: „Die gewachsenen, teils starren Strukturen verhindern oder bremsen an einigen Stellen den Wandel. In der Praxis stelle ich auch häufig fest, dass zwar ein Bewusstsein für den Handlungsdruck bei vielen Beteiligten vorhanden ist - doch die Changeprozesse nicht weit bzw. nicht tief genug gehen. Damit meine ich, dass das Management zwar auf der einen Seite selektive Maßnahmen (z. B. Filialschließungen oder Remote Working) beschließt, aber der strategische Kurswechsel nicht ausreichend vollzogen wird. Wir stehen gerade vor einer Zeitenwende im Finanzsektor! Das erfordert unter anderem auch eine zukunftsfähige Open Banking-Strategie: In der digitalen Netzwerk-Ökonomie werden nur Unternehmen erfolgreich sind, die sich als Knotenpunkt und offene Organisation verstehen und ihr Geschäftsmodell danach ausrichten. Offene und vernetzte Unternehmen werden von einem digitalen Ökosystem profitieren - isolierte und statische Banken, die von starken Silos geprägt sind und sich abschotten, werden den Wettbewerbsnachteil direkt spüren. Externe Rahmenbedingungen wie Niedrigzinsniveau, Regulatorik und branchenfremde Wettbewerber wie die BigTechs verstärken zudem den Druck auf die Banken. Die Ära der Allfinanz-Institute mit dem bisherigen, traditionellen Produktportfolio wird schon bald der Vergangenheit angehören.“
Was kommt zuerst? Der digitale oder der kulturelle Wandel? Bitte erläutern Sie kurz die Wechselbeziehung.
Corinna Pommerening: „Der digitale Wandel impliziert, dass auch elementare, kulturelle Voraussetzungen wie Offenheit, Vertrauen und Fehlerkultur geschaffen werden. Lizenzen, Wissen und Seminare zu Tools und virtuellen Lösungen allein reichen nicht aus, um den digitalen Wandel zu gestalten - es braucht beispielsweise institutionelle Konzepte für Vernetzung und Wissens-Sharing. Zukunftsskills dürfen zudem nicht nur punktuell in einzelnen Abteilungen - in Silos - gefördert werden, sondern müssen konsequent in der Gesamtbank gestärkt und genutzt werden. Um Wissens- und Innovationsmanagement in den Organisationen zu fördern, müssen aber auch überholte Denk- und Machtstrukturen aufgelöst werden. Denn Hierarchie verhindert Offenheit und Fehlerkultur. Kontrolle gilt als Kreativitätsbremse und hemmt den Wandel. Aus diesen Gründen müssen zuerst bankinterne, kulturelle Silos identifiziert werden, um den Transformationsprozess überhaupt vorantreiben zu können. In meinem Buch können die Leser eine bankindividuelle Silo-Analyse zu den zehn größten Silos vornehmen. Als Service erhalten die Leser hierzu ein digitales Tool, um die Bewertung anhand dominanter und rezessiver Reflexionsfragen digital vorzunehmen.“
Warum ist es so wichtig, dass Führungskräfte und Mitarbeiter den Wandel gemeinsam gestalten? Wie kann dies gelingen?
Corinna Pommerening: „Der Wandel würde erfolglos sein, wenn nur nach alter, gewohnter Manier „Top down“ die Ableitungen und To-do´s vorgegeben oder Anweisungen lediglich ausgeführt werden. Der Transformationsprozess erfordert Mitdenken und Mitverantwortung von allen Beteiligten, nur so können eingeleitete Maßnahmen akzeptiert und erfolgreich umgesetzt werden. Die partizipative Zusammenarbeit stärkt zudem die Teamkultur und in diesem unsicheren Fahrwasser wirkt diese Form der Mitgestaltung stabilisierend. Allerdings müssen hierfür die Voraussetzungen in der Organisation - wie ich oben erläutert habe - geschaffen werden.“
Wie sieht Leadership im Finanzsektor im Jahr 2030 aus?
Ich denke, wir brauchen den Blick gar nicht in die weite Zukunft zu werfen, sondern wir stellen bereits jetzt schon deutliche Veränderungen fest. Corona hat wie ein Booster auf die Themenfelder "zukunftsfähige Geschäftsmodelle", "Remote Working" und "Home Office" gewirkt. Jedoch erfordern neue, digitale Vertriebswege, virtuelle Zusammenarbeit oder auch Führung auf Distanz ein neues Skillset auf allen Ebenen. Eine Führungskraft wird im Rahmen der täglichen Arbeit je nach Kontext und Anforderung schon heute verschiedene und teils neue Rollen einnehmen und der bisherige, stark forcierte fachliche Part der Führungskraft wird sich signifikant reduzieren. Als Beziehungsmanager und Konfliktlöser werden Leader in diesen unsicheren Zeiten zum Stabilisator, als Coach und Mentor werden sie zum Befähiger und mit ihrem Wissen über Zukunftstechnologien und neuen Wertschöfungsmodellen werden sie zum Gamechanger und Zukunftsgestalter.
Was in Zukunft zählt, ist Team-Empowerment statt Status und Macht.“
Frau Pommerening, herzlichen Dank!
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